Weihnachtliches Wunschdenken und die Realität von Gaby Jung
In unserer schnelllebigen Zeit ist uns der eigentliche Sinn dieses Festes leicht abhanden gekommen.
Heute beginnen die Vorbereitungen für das Fest Ende Oktober und stresst uns noch an Heiligabend!
Die Geschäfte öffnen zum Teil schon um 7 Uhr morgens und schließen ihre Tore um 22 Uhr.
Wir können in dieser Zeit mehr Geld ausgeben als wir verdienen, aber das macht nichts. Die
freundlichen Mitarbeiter der Banken und Sparkassen helfen uns gern mit einem Kleinkredit aus. Auch
die Multi-Medialen-Elektronik-Läden haben ein richtiges Schnäppchen für uns; heute kaufen und erst
im neuen Jahr die erste Rate zahlen. Klingt doch toll, oder?
Im Juli des nächsten Jahres sitzen wir dann beim Schuldnerberater und melden Privatinsolvenz an.
Und wozu das Alles? Nur damit die Geschenke noch größer und üppiger ausfallen als im vergangenen
Jahr? Obwohl wir alles haben was technisch möglich ist sind wir damit nicht zufrieden. Immer besser
wird die neue Technik und die Sachen veralten sehr schnell. Ein Handy das du länger als zwei Jahre
besitzt ist etwas wofür du dich schämen musst. Bei den neuen wischt man nur noch mit dem Finger
über den Bildschirm und du bist im Internet, kannst dir Bilder ansehen oder eine Straßenkarte
aufrufen, eine App aufmachen oder ein eingespeichertes Buch lesen. Ich habe gehört mit den
Dingern kann man im Notfall auch telefonieren. Sagenhaft!
Unser Alltag ist vollgestopft mit Technik und manchmal frage ich mich; wo bleibt der Mensch?
Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe und Toleranz sind nicht mehr gefragt. Oft hört man; jeder ist sich
selbst am Nächsten, man muss sehen wo man bleibt.Wenn man auf andere Rücksicht nimmt ist man
bald draußen und steht in der Schlange vor der Agentur für Arbeit.
Aber nun zurück zur beginnenden Vorweihnachtszeit. Inzwischen haben die Enkelkinder ihren
Wunschzettel schon am zweiten November fertig. Da bleibt dann noch etwas Zeit ihn beliebig zu
verlängern. Ich war neugierig und habe mal nachgeschaut was die lieben Kleinen sich wünschen.
Ich war entsetzt, da stand
Nintendo-Spielkonsole, Handy, Digitale-Bücher( die lesen auch vor ), Digitalkamera, Laptop,
elektrisches Bobbycar ( gibt es das schon?), HD-Flachbildfernseher fürs Kinderzimmer und eine
elektronisch gesteuerte Babypuppe die sprechen, essen und richtig in dieWindel machen kann. Über
diese Puppe sollte man gründlich nachdenken, allein wegen der Folgekosten ( Puppenpampas sind
teuer).
Irgendwie schon komisch, wir haben gerade erst das Erntedankfest gefeiert und die ersten
Wunschzettel flattern ins Haus.
Ich werde mich in diesem Jahr nicht an der Rallye um die elektronisch neusten, für Kinder tauglichen
Geschenken beteiligen! Das hat doch mit derWeihnacht nichts mehr zu tun. Nein, in diesem Jahr
nicht mit mir. Gleichzeitig habe ich mir vorgenommen das Fest für meine Familie unvergesslich zu
gestalten. Ich wollte nicht den Blick auf teure Geschenke gerichtet sehen, ich wollte ein fröhliches
Familienfest mit singen und spielen, gemeinsam spazieren gehen und gutem Essen in einer
weihnachtlich geschmückten Wohnung.
Meine Kinder, Schwiegerkinder und Enkel sollten den zweitenWeihnachtsfeiertag bei uns
verbringen. Zwischen 11und 11.30Uhr sollten sie kommen, denn um 12 Uhr sollte in meiner
Vorstellung das Mittagessen auf dem Tisch stehen. Genaue Zeiten sind wichtig und müssen nach
Möglichkeit eingehalten werden, sonst kommt alles in Verzug und man schafft es nicht alle
Mahlzeiten einzuhalten und da wäre schade. Oh, was soll es denn zum Mittagessen geben??
Schließlich ist Weihnachten, da soll es schon etwas Besonderes sein.
Ich fing an in dem ersten meiner über 300 Kochbücher (ich sammle sie mit Hingabe) zu stöbern, fand
Vorschläge die mir dasWasser im Mund zusammen laufen ließen, aber wie gesagt nur mir!
Mein Mann war der Meinung; „Sowas doch nicht anWeihnachten, außer dir ist das doch keiner“
Er hatte recht, weitersuchen!
So verging auch mit Rezeptsuche und studieren der Angebotszettel die Zeit. Der dunkle Monat mit
seinen traurigen Kirchentagen Allerheiligen, Totensonntag, Buß -und Bettag, sowie dem
Volkstrauertag zogen unbemerkt an mir vorbei und ich hatte noch immer keine Idee. Es sollte nach
Möglichkeit Hausmannskost sein, nicht soein überkandietelter Kram wie Fisch aus Indien oder
Erdbeeren aus China wollte ich alles nicht. Da hatte ich einen Geistesblitz. Sauerbraten mit Klößen,
Kartoffeln, Rotkohl und für die Kinder noch ein wenig Geflügel. Vorsuppe sollte sein Rinderbrühe mit
Karotten und Lauch, Fleischbällchen und Nudeln, sowas mögen eigentlich alle. Wirklich alle???
Einige meiner Enkel gehören zu der aufmüpfigen Gruppe der „ das mag ich nicht“ Esser, die schon
beim Anblick der Nahrung wissen das es durch ihren Hals nicht passt. Dieses ist in meiner Familie
allerdings eine Randgruppierung(noch) auf die ich nicht gewillt war Rücksicht zu nehmen.
Bei der Nachspeise kam nur Schokopudding mit Sahne, bis auf unsere Randgruppe mochten das alle.
Nach dem Mittagessen , so stelle ich mir das jedenfalls vor, könnte man einen schönen Spaziergang
machen. Sollte das Wetter nicht für einen längeren Spaziergang geeignet sein, wollte ich mit allen
Gesellschaftsspiele spielen. „Mensch ärgere dich nicht“ kann jeder und dabei kann man
Weihnachtslieder singen.
Für den Weihnachtskaffee plante ich eine Negerkusstorte, Neujährchen mit Sahne und eine
weihnachtliche Gebäckmischung, für jeden etwas dabei. Dazu natürlich noch Kaffee, Cappucino,
Milch, Tee,Wasser, Kakao, Fanta und Apfelsaft.
Ein späteres Abendessen war schnell zusammen gestellt. Räucherfisch, Matjes und Krabben lassen
wir per Internet (heute gibt es im Netz alles) aus Norddeutschland anliefern. Geflügelsalat, eine Käseund
eine Wurstplatte, saure Gurken , Tomaten und 5-6 Sorten Brot, das würde reichen. Nach dem
üppigen Mahl würde man noch bei einem GlasWein den Tag ausklingen lassen.
Die Kinder würden dann ihren Nachwuchs in die dicken Jacken hüllen, in die in den PKWs
vorhandenen Kindersitze verteilen und den langen Heimweg antreten. Zwischen uns und den
Kindern liegen eine halbe Stunde und einmal eine ganze Stunde Autofahrt. Allen hat es gefallen, der
gemeinsame Spaziergang, das zusammen spielen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und
natürlich das Essen.
Aber klappt es immer so wie wir uns das Erträumen??
Na klar, das Essen ließ sich wunderbar vorbereiten und bei drei Kühlschränken in meinem Besitz war
auch das Aufbewahren mit keinerlei Mühen verbunden. Der zweite Weihnachtsfeiertag sowie die
Kinder mit Anhang konnten kommen. Die Spülmaschine war auf den Geschirransturm vorbereitet.
Der Tag war da, ich hatte alles bis ins kleinste Detail geplant und vorbereitet. Das ganze Haus war
weihnachtlich geschmückt und im Ofen brannte das Feuer.
Derzeit ich noch den Frühstückstisch abräumte ging mein Mann mit unserem Hund „Gassi“.
Ich holte die Töpfe mit dem vorbereiteten Mittagessen aus dem Keller und stellte sie schon auf den
Küchenherd. Mein Mann hatte es sich inzwischen vor dem Fernseher gemütlich gemacht.
Tochter und Schwiegersohn kamen mit den beiden Kleinen(2 u. 6Wochen) um kurz vor 11Uhr an. Sie
haben den weiteren Weg und sind daher früh genug losgefahren. Auf meinen Sohn mit
Schwiegertochter und ihren kleinen Zicken (alles Mädel 7 u. 5 u. 2x21 Monate) mussten wir noch
etwas warten und warten und warten. Als sie dann endlich kamen war das Mittagessen fertig und wir
konnten uns sogleich an den Esstisch setzen. Die Kinder mussten bis nach dem Essen auf ihre
Geschenke warten. Die „das mag ich nicht“ Gruppe hatte ihre Meinung schon geäußert bevor sie das
Wohnzimmer betreten hatten. Ich setzte meine Hoffnung in die Vorspeise. Eine Nudelsuppe kam bei
meinen Enkeln eigentlich immer gut an. Heute allerdings nicht. Lauch mögen sie nicht, Möhren sind
auch nicht ihr Ding. Also Suppe sezieren, im Teller verblieben Fleischklößchen, Nudeln und etwas
Brühe. Nicht so viel von dem dünnen, das kleckert immer so. Nachdem die rebellische Minderheit
nach ihren Wünschen versorgt was verlief das Mittagessen ohne Zwischenfälle. Das einzig negative,
in meiner Traumvorstellung lief im Hintergrund leiseWeihnachtsmusik, war der eingeschaltete
Fernsehapparat. Mein Mann meinte das laufende Programm in der zehntenWiederholung sei die
richtige Untermalung einesWeihnachtsmenüs. Zu einem Tischgespräch konnte es nicht kommen,
denn bei jedem von uns gesagten Wort, kam aus der Ecke der Rebellen ein „nicht so laut, wir wollen
das sehen!“
Nachdem der Nachtisch verputzt war begaben sich zwei Drittel der Erwachsenen nach draußen zum
Rauchen. Mein Mann ging in die Garage und holte Getränke. Wein, Bier, Radler und alkoholfreie
Getränke hatten wir anzubieten. Als die Terrassenbesucher wieder ins warmeWohnzimmer kamen
gingen sie geradewegs in die Polsterecke, in der mein Mann schon mit hochgelegten Beinen saß,
namen ihre Getränke und prosteten sich zu. Die Kinder saßen zusammen auf Kissen auf dem
Fußboden und sahen fern.
Auf meinen Vorschlag einen gemeinsamen Spaziergang zu machen reagierte niemand. Als ich meinen
Vorschlag wiederholte riefen die Kinder: „Keine Zeit, der Film ist ganz toll, wollen wir sehen!“
Die Erwachsenen meinten das Essen wäre so gut gewesen, man wäre so voll, dass müsste erst mal
sacken. Also fragte ich Tochter und Schwiegertochter ob wir mit dem ganz Kleinen ein wenig an die
frische Luft wollten. Leider kamen wir nicht sehr weit, in kürzester Zeit wurde der Himmel dunkel und
öffnete kurz darauf seine Schleusen. Bis wir zu Hause ankamen waren wir völlig durchnässt. Also erst
mal abtrocknen und umziehen, nasse Sachen im Büro vor der Heizung über Stühle hängen und
trocknen lassen.
Um an Festtagen, wie schon beschrieben, alle Mahlzeiten zu schaffen muss man sich schon an den
Zeitplan halten und zwischendurch vom bunten Teller naschen untersagen. Als wir nun mit einiger
Zeitverspätung insWohnzimmer kamen, konnte ich in den Gesichtern der zurückgelassenen
Rasselbande erkennen; Schokolade ist eine feine Sache. Ich lud die Kinder erst einmal zur
gemeinsamen Waschaktion ein. Die Zeit rannte mir so durch die Finger! Wenn ich um 16 Uhr die
Kaffeetafel fertig haben wollte musste ich mich sputen. Alles rechtzeitig geschafft! Puh, das war
knapp. Die Männer, ziemlich träge auf den Polstern ausgestreckt, brauchten eineWeile um sich
aufzuraffen und zum Esstisch wechselten. Das immer wiederkehrende „ das mag ich nicht“ hatte ich
schon vernommen als ich die Torte aus dem Kühlschrank nahm.
Die beiden Kleinen unseres Sohnes lieferten laut und kräftig die Unterhaltungsmusik. „was haben sie
denn?“ wagte mein Mann zu fragen. „Die sind müde, die hatten ja keinen Mittagsschlaf“. Hätte
meine Schwiegertochter sie in die Karre gelegt und bei unserem kleinen Spaziergang mitgenommen
hatten sie vielleicht ein bisschen geschlafen. So hatten wir ein Schreikonzert der gehobenen Klasse,
dass jeden Unterhaltungsversuch zu nicht machte. Nach dem Kaffee huschten alle auf die Polster, die
Kinder starrten auf den Fernsehkasten und ich räumte den Kaffeetisch ab. Füllte die Spülmaschine,
brachte den Kuchen in den Keller und stellte den Fisch und die Salate aus dem Kühlschrank damit sie
Raumtemperatur erreichten. Als ich in der Küche fertig war fragte ich ganz laut:“Wer will mit mir
spielen?“ Die Kinder sprangen auf, jetzt hatte das Fernsehen Pause! „Liest du mir was vor?“ „Spielst
du mit mir schwarzer Peter?“ „Kommst du mit nach oben, Playmobil spielen?“ Die kleinen, müden
Schreihälse hatten sich mit Untersetzern und Erdnusslocken beruhigen lassen. Sie waren nun dabei
mit angeleckten Erdnusslocken den Tisch zu bemalen und konnten in der Obhut ihrer Eltern bleiben.
Mit den größeren bin ich ins „Kinderzimmer“ Gegangen, das ausgebaute Dachgeschoss in dem die
Kinder schlafen wenn sie mal für einige Tage zu uns kommen. Dort stehen auch noch einige
Spielsachen unserer Kinder, mit denen nun unsere Enkel spielen. Ich habe vorgelesen, schwarzer
Peter gespielt und mit Playmobil ein ganzes Dorf gebaut. Also Kinderbelustigung statt Familientag.
Meine Träume waren irgendwie anders.
Zeit fürs Abendessen. Die drei größeren Kleinen haben mir fleißig geholfen, der Tisch war zwar nicht
festlich gedeckt aber es stand alles darauf was sie im Kühlschrank und im Vorratsschrank gefunden
haben. Marmelade, Honig, Nutella, Maggiflasche, Süßstoff und Dosenöffner stellte ich wieder an Ort
und Stelle, dafür holte ich Teller aus dem Schrank.
Auch das Abendessen hatte eine kräftige Untermalung, dieses Mal war es nicht die Müdigkeit
sondern die Zähne waren schuld. Denn es sind immer die Zähne, Müdigkeit oder Hunger wenn die
kleinen Terror schieben. Soviel Zähne wie bei den beiden kommen, wegen der ewigen Schmerzen,
hat kein Mensch, außer vielleicht Stefan Raab (22 oben, 22 unten). Sie ließen sich mit nichts
beruhigen. Noch nicht fertig gegessen standen Sohn und Schwiegertochter auf, holten Jacken und
Mützen, zogen die schreienden Kinder an, verabschiedeten sich und waren verschwunden.
In Ruhe aßen wir zu Ende, blieben noch ein wenig am Tisch sitzen und unterhielten uns. Meine
Enkelin rieb sich die Augen, wie war sehr still geworden. Es war ein langer Tag. Das Baby und die
Kleine wurden angezogen und die Vier machten sich auf den Heimweg.
Ich räumte den Tisch ab, stellte das Geschirr in die Spülmaschine, räumte die Küche auf, ging zügig
durchs Erdgeschoß und putzte wo es nötig war. Ich goss mir ein GlasWein ein und ging damit ins
Wohnzimmer. Kraftlos lies ich mich in die Polster fallen.
„Ist diese Ruhe nicht himmlisch?“ fragte mein Mann. „Ich glaube ich werde langsam alt. Das
Geschrei, den Lärm den 5 kleine Mädchen machen, das Geschmiere mit Keksen und Schokolade auf
Tisch und Polster. Nein, für mich ist das nichts mehr!“ Stellte den Fernseher etwas lauter, machte die
Sessellehne zurück und schlief eine halbe Stunde später tief und fest!
Mit meiner erträumten Vorstellung hatte dieser Tag nun wirklich nichts zu tun.
Ich hatte mir alles so schön vorgestellt, einen ruhigen, besinnlichen Weihnachtstag im Kreise meiner
Lieben.
Und was war es geworden??
Ein chaotisch, lauter Nachmittag, mit einer ganztägigen Fernsehberieselung. Kindergeschrei bis der
Kopf dröhnt. Wohnzimmertisch und Polster benötigten eine Grundreinigung. Der Fußboden klebte
von den verschiedenen Getränken, die nicht im Becher bleiben wollten. Die kleberige Spur führte bis
ins Tagesklo, dort hatte ich den Eindruck die Handtücher wären zum Schuhe putzen
zweckentfremdet worden.
Irgendwie Schade!
Ich sollte meineWunschträume für die nächsten 15 Jahre einmotten, denn glauben sie mir
das wird noch schlimmer!!
Titel: Weihnachtliches Wunschdenken und die Realität von Gaby Jung
Autor: Gaby Jung
gepostet von Gaby Jung
am 15.11.2012 23:55
E-Mail: g.jung.2@gmx.de
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