Eisblumen
Wer kennt heute noch Eisblumen? Laufendes Wasser an schwitzenden Fensterscheiben ist schon eher ein gewohnter Anblick in der Winterzeit. Vor einigen Jahrzehnten sah das anders aus. Jedes Kind kannte sie, diese bizarren, zauberhaften Gebilde die einem den Blick ins Freie verwehrten. Jede dieser eisigen Blüten war ein Unikat. Diese winterlichen Freuden brachte Jahr für Jahr die Eisfee. Schon im November begann der Winter, der Wald und Flur mit einer dicken Schneedecke bis in den März gefangen hielt. Diese weiße Pracht war ein Fest für die Geister des Winters. Mit Getöse und Gebraus fegte so manchen Tag der Schneesturm über das Land. Oftmals sah man seine Hand vor Augen nicht. Die Eisfee sah durch jedes Fenster und hinterließ ihren bezaubernden Gruß. Die Kinder standen an den Fenstern, drückten sich die Nasen platt und hauchten mit ihrem warmen Atem kleine Löcher in die zugefrorenen Scheiben. Manchmal sah der eine oder andere auch den Schlitten Knecht Ruprechts oder des Weihnachtsmannes. o ging es auch Elke. Wie jeden Abend stand sie am Fenster, hauchte ein kleines Loch in die Eisblumen und blickte in die Dunkelheit. Hell leuchteten die Sterne am Dezemberhimmel. Elke erkannte den großen Wagen. Aber was war das? Dort oben am Himmel tat sich was.
Gespannt starrte das kleine Mädchen in die Sternenwelt. Plötzlich sah es aus, als ob sich ein kleines Sternchen von Himmel löste und herab zur Erde schwebte. Es landete direkt auf Elkes Fensterbrett. Entgegen allen Verboten öffnete Elke das Fenster, gebannt von dem kleinen Stern angezogen. „Guten Abend Elke“, sprach sie der kleine Stern an. “Jeden Abend sehe ich dich am Fenster stehen und zu uns Sternen empor schauen. In der Nacht vor dem Christfest hat ein Kind auf Erden einen Wunsch frei. Wir haben entschieden das du in diesem Jahr einen Wunsch frei hast“. Elke war noch ganz benommen und fühlte sich wie im Traum. „Es darf aber nur ein Wunsch sein.“ Setzte der kleine Stern hinzu. Endlich gewann Elke ihre Sprache wieder. „Ich wünsche mir ein Schwesterchen.“ „Darf es auch ein Brüderchen sein?“ erkundigte sich der kleine Stern. „Es darf auch ein Brüderchen sein, ich wünsche mir halt ein Geschwisterchen weil ich immer alleine bin.“ „Gut“, sagte der kleine Stern, „deinen Wunsch werde ich weiter geben. Ich wünsche Dir ein frohes Weihnachtsfest“. Und langsam schwebte er wieder gen Himmel.
Der Heilige Abend kam und Elke stand unter dem strahlend, leuchtenden Tannenbaum. Darunter lagen viele Geschenke, die ihr große Freude bereiteten. Als Elke alles ausgepackt hatte, stand sie für einen Moment da als ob trotz der vielen Geschenke etwas vergessen wurde. „Komm mal her meine Kleine“, lächelte die Mutter Elke zu. Sie krabbelte auf Muttis Schoß und schaute sie erwartungsvoll an. „Wir möchten Dir etwas sagen, der Papa und ich“, begann die Mutti, „du hast dir doch immer ein Geschwisterchen gewünscht, etwas musst du noch warten, aber wenn der Osterhase kommt, bist du nicht mehr alleine.“ „Juhu, juhu!“ rief Elke freudig und sprang von Muttis Schoß, „er hat Wort gehalten!“ „Wer hat Wort gehalten?“ wollte die Mutti nun wissen. „Das ist mein Geheimnis“, lächelte Elke und dachte an den kleinen Stern der sie besucht hatte. „Das war mein schönstes Weihnachtsfest“, sagte Elke vor dem einschlafen zur Mutti und gab ihr einen Kuss.
Autor: Christina Telker
Titel: Eisblumen
Copyright © by Christina Telker
gepostet von Christina Telker
am 15.10.2013 08:05
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