Der Wunschzettel


Der Wunschzettel

Schon seit einigen Tagen lag ein leeres Blatt auf Katjas Schreibtisch, das sie vorwurfsvoll ansah, in der Hoffnung endlich mit Leben gefüllt zu werden. Heute hatte sie sich etwas Zeit genommen um ihren Lieben den Gefallen zu tun. Ein Wunschzettel sollte es werden.
Katja machte sich einen Kaffee, holte sich aus der Weihnachtsdose ein paar Plätzchen und stellte den Player an mit adventlicher Musik. In dieser Stimmung musste es doch einfach et-was werden. Bereits Mitte November hatte ihre Familie, ihr diesen Zettel auf den Frühstücks-tisch gelegt. Susen, ihre Jüngste, hatte sogar einen Tannenzweig darauf gemalt, also ganz leer war er nicht. Nun war übermorgen der zweite Advent.

Langsam wurden die Kinder und ihr Mann ungeduldig und sahen sie strafend an. Ja, sie hatten ja recht, denn für den Rest der Fa-milie waren alle Weihnachtsgeschenke längst besorgt und hübsch verpackt. Katja liebte es gar nicht sich in letzter Minute in den Einkaufstrubel zu stürzen. Als sie so da saß und der Musik lauschte, wanderten ihre Gedanken zurück in die Kindheit. Mit welcher Freude hatte sie damals den Wunschzettel geschrieben und ihn Knecht Ruprecht auf die Fensterbank gelegt, mit einer Möhre für seinen treuen Esel. Er würde diesen dann schon dem Christkind bringen. Katja gedachte an die kleinen Überraschungen mit denen ihre Eltern es verstanden hatten die Adventszeit zu schmücken. Es war eine arme Zeit, man hatte kaum das Nötigste, aber Herzenswärme, die hatte man sich erhalten.

Wieder schaute die junge Frau ihren leeren Wunschzettel an. Was sollte sie sich nur wünschen, wozu eigentlich? Man hatte doch alles und wenn sie einen Wunsch hatte, konnte sie sich diesen sofort selbst erfüllen. Warum zu Weihnachten extra Geld ausgeben? Das wollte sie eigentlich gar nicht. So grübelte sie vor sich hin.
Plötzlich kam ihr eine Idee, ein Tag so ganz in Familie, so ganz ohne Störung, das wäre etwas Schönes, wie lange hatten sie sich das nicht mehr gegönnt. Damals als die Kinder klein waren, war es etwas anderes, aber heute… Ihre Großen gingen ihre eigenen Wege, nur das Nest-häkchen war noch um sie herum, aber es gestaltete sich auch den Tag nach seinen Wünschen. In ihren ersten Ehejahren hatte Jochen sie auch ab und zu bekocht. Er konnte gut kochen, hat-te es sich aber im Laufe der Jahre abgewöhnt. Das wäre etwas, dachte Katja wieder, ein Tag ohne jede Störung von außen nur in Familie.
So nahm sie den Stift zur Hand und schrieb, ich wünsche mir:
Der erste Feiertag ist Familientag!
Karen bereitet zu acht Uhr ein festliches Frühstück.
Paula übernimmt die Planung für den Spaziergang nach dem Frühstück, den die ganze Familie gemeinsam unternimmt.
Jochen kocht das Weihnachtsmenü
Susen bereitet den Spielenachmittag vor
Als Katja am Abend der Familie den Wunschzettel hinlegte staunten sie nicht schlecht. „Aber Mutti wir wollten dir etwas schenken“ oder „Muss das sein, ich habe mich schon mit meinen Freunden verabredet“, waren Sätze die Katja zu hören bekam. Desto näher das Weihnachts-fest rückte, desto ruhiger und ausgeglichener wurde ihre Familie. Jochen freute sich aus ko-chen, Paula war mit Begeisterung bei der Planung des Vormittags und ihr Jüngster hatte be-reits seine alten Spiele hervorgeholt, die keiner mehr ansah in letzter Zeit und freute sich schon auf den Nachmittag.
Als die Familie am ersten Feiertag beim Abendbrot saß, das Katja liebevoll zubereitet hatte, waren alle voll Lobes über diesen Tag. „Das war der beste Wunschzettel, den du seit Jahren geschrieben hast“, stellten sie einmütig fest.

Autor: Christina Telker
Titel: Der Wunschzettel
Copyright © by Christina Telker
gepostet von Christina Telker
am 07.12.2014 08:15
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