Der Tannenbaum
Es geschah wie in jedem Jahr, daß Weihnachten heranrückte. Da blickte Blasius Trumpel, der in einem kleinen Häuschen am Rande der Stadt wohnte, auf die herrlich gewachsenen zehn Silbertannen, die sein Vater seelig wie die Orgelpfeifen Jahr für Jahr in den Garten gepflanzt hatte, damit er Jahr für Jahr eine davon als Weihnachtsbaum nehmen könnte. Doch wie er so schaute, tat es ihm im Herzen weh um die schönen Bäume, und er ging in den Wald, um eine der wild wachsenden Fichten abzusägen. In der Dämmerung kam er nach Hause, bemerkte aber mit Schrecken, dass die größte seiner Silbertannen samt Wurzelballen ausgegraben war. In dem Loch lag ein Zettel, auf welchem vier Worte standen: „Für den angerichteten Waldschaden.”
Im nächsten Jahr schwankte er lange, ob er den Diebstahl wiederholen sollte, doch die neun schönen Silbertannen dauerten ihn, und so ging er erneut in den Wald. Bei seiner Rückkehr fand er den mysteriösen Zettel. Dies geschah weitere drei Jahre. Als er dann im Sommer beim Pilze suchen an einer Lichtung auf fünf Silbertannen stieß, vor denen ein Schild stand, wurde er nachdenklich. Denn auf diesem las er: „Hier entsteht mit Hilfe eines Weihnachtsbaumdiebes eine Pflanzung.” Ja, es waren seine Silbertannen!
Da beschloss Blasius Trumpel, der im Grunde seines Herzens kein böser Mensch war, in Zukunft den Weihnachtsbaum nur aus seinem Garten zu nehmen oder ihn von einem Händler zu kaufen. Und wenn Ihr nicht glaubt, dass dieser Mensch Blasius Trumpel heißt und ihm jemand seine Silbertannen als Ersatz für gestohlene Bäume ausgegraben hat, dann könnt Ihr sogar ein wenig recht haben. Aber Märchen sind nun einmal so: „Sie berücksichtigen einfach nicht, dass Weihnachtsbaumdiebe in der Regel im eigenen Garten aus Furcht vor Diebstählen keine Silbertannen haben.”
Titel: Der Tannenbaum
Autor: Peter Benz
gepostet von Peter Benz
am 17.05.2012 16:04
E-Mail: klauspeterb (at) t-online.de
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